Fühlst du dich manchmal in deinen Beziehungen wie gefangen zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst davor? Hast du das Gefühl, schnell erdrückt zu werden, als würde jemand deine persönlichen Grenzen überschreiten? Oder spürst du häufig den Impuls, eine Beziehung zu beenden, sobald sie ernster wird? So geht es vielen Menschen, die zu mir in meine Praxis für Psychotherapie kommen. Viele erleben, dass sie sich vor echter Nähe zu scheuen. Stattdessen errichten sie eine unsichtbare Mauer, die niemand durchdringen kann.
Was versteht man unter Bindungsangst?
Bindungsangst beschreibt die innere Zerrissenheit zwischen dem Verlangen nach Liebe und der Angst davor, sich emotional auf jemanden einzulassen. Diese Angst führt dazu, dass wir Nähe meiden oder Beziehungen unbewusst sabotieren, sobald sie intensiver werden. Der Wunsch nach Verbundenheit ist da, doch die Angst, verletzt zu werden, baut eine Barriere auf, die schwer zu überwinden ist: eine „emotionale Mauer”.
Menschen mit Bindungsangst kämpfen oft mit einem inneren Konflikt: Sie sehnen sich nach Liebe, doch gleichzeitig schrecken sie vor der Verletzlichkeit echter Nähe zurück. Dies kann sich in einem Vermeiden von Intimität oder dem Sabotieren von Beziehungen äußern, sobald sie ernsthaft werden.
Unabhängig davon, ob du dich eher bei den unabhängigen Beziehungsscheuen oder den anpassungsfreudigen Bindungssuchenden wiederfindest, ist es wichtig, deine tief verwurzelten Überzeugungen zu erkennen. Es sind nämlich genau diese alten Schlussfolgerungen und Glaubenssätze, die in uns Abwehr- und Verteidigungsmechanismen auslösen, und uns dazu bringen, emotional auf Distanz zu gehen.
Was steckt hinter Bindungsangst?
In Wahrheit ist Bindungsangst ein Zeichen dafür, dass wir tief im Inneren nach echter Verbindung suchen, uns aber gleichzeitig davor fürchten, verletzt zu werden. Diese Angst entsteht oft schon in unserer Kindheit und kann unser Erwachsenenleben stark beeinflussen – in der Art, wie wir lieben, Vertrauen aufbauen und unsere Beziehungen gestalten. Wenn wir früh Erfahrungen mit Bezugspersonen machen, die emotional nicht verfügbar sind oder inkonsistente Signale senden, sind wir als Erwachsene verunsichert, wenn es um Nähe und Vertrauen geht. Aber auch spätere Erlebnisse im Leben, wie z.B. Trennungen oder Enttäuschungen in der Liebe, können Bindungsängste verstärken.
Welche Bindungstypen gibt es?
Die Bindungstheorie unterscheidet zwischen sogenannten "sicheren" und "unsicheren" Typen. Jeder Stil hat spezifische Muster, die beeinflussen, wie wir uns in Beziehungen verhalten. Indem wir unseren eigenen Bindungsstil und den unserer Partner verstehen, können wir beginnen, die Dynamik in unseren Beziehungen besser zu navigieren.
- Sicher: Du fühlst dich in deiner Beziehung wohl und findest leicht die Balance zwischen Intimität und Unabhängigkeit. Du sprichst offen über deine Bedürfnisse und Grenzen, ohne Angst vor Zurückweisung oder Überforderung.
- Ängstlich: Du bist übermäßig besorgt um deine Beziehung, brauchst viel Bestätigung und fürchtest, verlassen zu werden. Vielleicht checkst du ständig dein Handy auf Nachrichten deines Partners und interpretierst kurze Antworten als Zeichen von Desinteresse oder bevorstehender Trennung.
- Vermeidend: Du bist unabhängig bis zum Punkt der emotionalen Distanzierung und meidest Verletzlichkeit. Vielleicht fühlst du dich in intimen Momenten unwohl und ziehst du es vor, alleine zu sein, anstatt dich auf einen Partner zu verlassen.
- Ängstlich-vermeidend: Du fühlst dich zerrissen zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem Drang, sie zu vermeiden. Deine Angst vor Zurückweisung führt dazu, dass du potenzielle Partner wegstößt, sobald sie dir zu nahe kommen.
Die Dynamik zwischen „Rückzüglern” und „Verfolgern”
Diese Dynamik kann zu einem Teufelskreis führen, in dem der ängstliche Partner (Verfolger) nach immer mehr Nähe sucht, während der vermeidende Partner (Rückzügler) sich stetig distanziert. Dies verstärkt wiederum die Angst des ängstlichen Partners und den Rückzug des vermeidenden Partners weiter.
Ein Beispiel aus meiner Praxis
Max und Anna sind beide Anfang 30 und seit zwei Jahren ein Paar. Anna hat latent Angst, Max zu verlieren, und sucht ständig nach Bestätigung. Max hingegen fühlt sich eingeengt und zieht sich immer mehr zurück. Dieser Zyklus verstärkt zum einen Annas Angst und zum anderen Max' gefühlten Freiheitsdrang, der in erster Linie ein Abwehrmechanismus ist. Hier zeigt sich Bindungsangst als ungesundes Spiel von Nähe und Distanz, was zu vielen Konflikten, Frustration und Unzufriedenheit führt.
Ein Beispiel für Singles mit Bindungsangst
Lena datet viel, aber es fällt ihr schwer, in Beziehungen zu bleiben. Nach ein paar Treffen fängt sie an, nach Fehlern beim Partner zu suchen. Plötzlich ist ihr alles zuviel. Sie verliert das Interesse, verbringt lieber Zeit mit anderen Menschen, und zieht sich zunehmend zurück. Lena erlebt klassische Symptome der Bindungsangst, die sie in einem ständigen Zustand des Zwiespalts halten: Während sie anfangs noch ihr Single-Dasein genießen konnte, ist mit der Zeit der Wunsch nach einer dauerhaften Beziehung und einer eigenen Familie gewachsen. Trotzdem verspürt Lena eine diffuse Angst, ihre Unabhängigkeit zu verlieren und verletzt zu werden.
Was hat Bindungsangst mit Beziehungsunfähigkeit zu tun?
Bindungsangst ist oft eine treibende Kraft hinter Beziehungsunfähigkeit. Wer "beziehungsunfähig" ist, führt nur kurz Beziehungen, meidet sie ganz oder tut sich schwer, anderen nahe zu kommen. Letztendlich wirken sie sich beide auf unsere Fähigkeit aus, langfristig tiefe zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen. Allerdings können neben Bindungsangst auch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel persönliche Überzeugungen, Lebensumstände oder individuelle Prioritäten und Ziele.
Was kann man gegen Bindungsangst tun?
Bindungsangst dient als Schutzmechanismus.
Sie möchte uns vor schmerzhaften Erfahrungen bewahren. Doch um wirklich erfüllende Beziehungen zu erleben, bedarf es den Mut, sich dieser Angst zu stellen. Bindungsangst zu verstehen, ist der erste Schritt. Sie zu überwinden erfordert Zeit, Geduld und manchmal auch therapeutische Hilfe.
Dein Weg durch den Bindungsdschungel
Es gibt kein Patentrezept, das für alle passt, aber es gibt Schritte, die dir helfen können, deine Ängste zu verstehen und ihnen mutig zu begegnen. Ob durch Selbstreflexion, offene Kommunikation oder Psychotherapie – es ist möglich, die Mauern, die wir um uns gebaut haben, Stück für Stück abzutragen.
Hier ein paar erste Schritte, die du selbst unternehmen kannst:
- Selbstreflexion ist ein Schlüssel zur Bewältigung von Bindungsängsten. Sobald wir unsere eigene Bindungsgeschichte verstanden haben, können wir anfangen, bewusster zu handeln, anstatt aus alten Mustern heraus zu reagieren.
- Erkenne und akzeptiere deine Ängste. Tagebuchführen kann ein gutes Mittel sein, um deine Gefühle und Verhaltensmuster besser zu verstehen.
- Kommunikation: Lerne, offen über deine Gefühle und Ängste zu sprechen, sowohl mit Partnern als auch mit Freunden oder einem Therapeuten.
- Setze dir realistische, machbare Ziele: Beginne mit kleinen Schritten, um dich emotionalen Situationen zu stellen, statt sie zu vermeiden.
- Stärke dein Selbstwertgefühl: „Selbstfürsorge” klingt inzwischen nach einer stark abgenutzten Floskel – aber je mehr du dich um dich selbst kümmerst, indem du Sachen unternimmst und Menschen triffst, die dir gut tun und dich bestärken, desto mehr Selbstvertrauen gewinnst du.
- Such dir Unterstützung: Ein*e Therapeut*in kann dir helfen, dich mehr zu öffnen und langsam Vertrauen in Beziehungen aufzubauen, die Ursachen deiner Bindungsangst zu verstehen und gezielt Wege zu finden, damit umzugehen. Wenn du dich in diesem Artikel wiederfindest und bereit bist, an deiner Bindungsangst zu arbeiten, dann melde dich gerne bei mir
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